Caritaspastoral
"Christsein ist seiner ersten Zielrichtung nach nicht ein individuelles, sondern ein soziales Charisma. Man ist nicht Christ, weil nur Christen ins Heil kommen, sondern man ist Christ, weil für die Geschichte die christliche Diakonie Sinn hat und vonnöten ist."(234) (1)
"Ich begreife unsere Kirche als dienende Gemeinschaft. Damit geht unter anderem die Stärkung der Caritas einher. Dabei denke ich an das persönliche Tun jedes Einzelnen und natürlich an unseren Caritasverband, aber vor allem an die gemeindliche Caritas. Eine karitative Haltung ist für mich wesentlich und zukunftsweisend. In der Pastoral unseres Erzbistums und unserer Pfarreien muss Caritas an Bedeutung gewinnen. In einem ersten Schritt möchte ich die Akteure einladen und stärker miteinander vernetzen."(2)
"Wenn die Kirche… nicht meinen darf, außer ihrer sichtbaren Gestalt gäbe es kein Heil und kein langsames Heilwerden der Welt, dann ist eben das Gewinnen von neuen kirchlichen Christen nicht so sehr und in erster Linie die Rettung der sonst Verlorenen, sondern die Gewinnung von Zeugen, die als Zeichen für alle die überall in der Welt wirksame Gnade Gottes deutlich machen." (3)
Joseph Ratzinger/ Benedikt XVI, Erzbischof Stefan Heße und Karl Rahner beschreiben die Leitidee caritativen Selbstverständnisses, das auch für die Caritaspastoral konstitutiv ist: "Man ist Christ, weil… die christliche Diakonie Sinn hat und vonnöten ist." Deshalb geht es beim kirchlich-caritativen Tun um "die Gewinnung von Zeugen, die als Zeichen für alle die wirksame Gnade Gottes deutlich machen." Aus diesem Grunde ist "eine karitative Haltung …wesentlich und zukunftsweisend".
Was heißt das, welche Aufgaben sind mit diesem caritativen Dienst konkret verbunden?
Entscheidend für diesen Dienst der Caritas im Norden, d.h. in einer extrem ausgeprägten Diasporasituation, ist in besonderer Weise die Beachtung und vor allem die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips.
- Darum sollte immer nur gemeinsam mit den regional Verantwortlichen des Verbandes und den Ortsgeistlichen und Gemeindeleitungen geschaut werden, wo gegenseitige Information, Hilfe und Unterstützung im caritativ-pastoralen Tun sinnvoll, notwendig und geboten ist.
- Neben Einzel - und Gruppengesprächen, neben der Begleitung durch geistliche Impulse und Anregungen, gilt für den kirchlich-caritativen Bereich insbesondere, dass es sinnvoll ist, sich regelmäßig zu treffen in sogenannten Pastoralrunden. Bewährt haben sich Gesprächskreise mit den Ortsgeistlichen und Gemeindeverantwortlichen, den vor Ort verantwortlichen Caritasleiterinnen und -leitern und den Verantwortlichen der caritativen Fachverbände. Die gemeinsame Feier der Eucharistie, das Sich-Füreinander-Zeit-Nehmen bilden oft den Rahmen für ein Miteinander, in dem die mystagogische Pastoral ihren angestammten Platz hat. Dabei geht es nicht um etwas Geheimnisvolles und Unverständliches. Es geht vor allem auch darum, sich gegenseitig über den Glauben zu verständigen, die Gnade des Alltags wahrzunehmen und versuchen, sie ins Wort zu bringen, um einen "Glauben zu leben, der die Erde liebt".
- Die Mitarbeit am Pastoralkonzept, auch bei dessen Umsetzung in den Pfarreien, und die entsprechende Evaluation - d. h. zu prüfen und, wenn nötig, nachzujustieren - ob und in welchem Umfang die Zielstellungen des jeweiligen Pastoralkonzeptes umgesetzt werden, ist ein weiterer Schwerpunkt der Tätigkeit der Caritaspastoral. Und auch hier gilt: Nur gemeinsam mit den Verantwortlichen in Kirche und verbandlicher Caritas vor Ort kann dies gelingen, denn es gibt weder ein "Patentrezept" noch Vorgaben, die einfach zu übernehmen sind.
- Dabei ist - ganz im Sinne des Subsidiaritätsprinzips und des Grundsatzes, dass Gottes Geist "weht, wo er will" - zu beachten, dass Kirche und Caritas im Gemeinwesen verortet sind bzw. bleiben. In den Pastoralkonzepten findet man diesen Hinweis meistens in der Beschreibung des Sozialraumbezuges. Das bedeutet auch, dass vieles, was getan werden muss, nicht unbedingt von der verbandlichen Caritas geleistet werden muss, wenn andere Träger diese Dienstleistungen in guter Qualität bereits anbieten. Hierin liegt auch eine große "Entlastung", die einem weit verbreiteten Gefühl von Überlastung in Gemeinden und Orten kirchlichen Lebens entgegenwirken kann.
- Ein Letztes: Wir sind ein Verband in einem Bistum. Gerade angesichts der überbordenden Säkularisierung sollte möglichst alles dafür getan werden, dass einer Zersplitterung der Kräfte gewehrt wird. Darum ist Vernetzung ein unverzichtbares Arbeitsprinzip! Es ist auch nicht so, dass überall dasselbe umgesetzt werden kann. Dafür sind die Bedingungen vor Ort und die geschichtlichen Entwicklungen zu verschieden. Darum muss möglichst alles getan werden, dass Kirche und Caritas so einheitlich wie möglich auftreten. Corporate Identity hat in dieser Situation durchaus eine pastorale Dimension: Menschen müssen wissen, woran sie mit Kirche und Caritas sind. Das erfordert, dass wir identifizierbar, erkennbar sind und bleiben. Diesen Prozess zu begleiten und zu befördern, ist nicht zuletzt auch Aufgabe der Caritaspastoral.
(1) 25.07. im Jahreslesebuch "Glaube-Hoffnung-Liebe"- Joseph Ratzinger/Benedikt XVI, "Glaube-Hoffnung-Liebe" (365 Denkanstöße aus "Einführung in das Christentum", Ausgabe 2001, die Zahl in Klammern gibt die Seitenzahl aus "Einführung" an.
(2) So Erzbischof Stefan in seinem Hirtenwort am Gedenktag des Hl. Ansgar am 03.02.2022
(3) 20.07. im Jahreslesebuch "Unbegreiflicher - so nah" - Karl Rahner; ursprünglich aus "Strukturwandel der Kirche als Aufgabe und Chance", 1973 Freiburg i.Br. S. 66f