c/o Erzbischöfliches Amt
Lankower Straße 14-16
19051 Schwerin
Grundsätzliches
"Ich begreife unsere Kirche als dienende Gemeinschaft…Eine karitative Haltung ist für mich wesentlich und zukunftsweisend. In der Pastoral unseres Erzbistums und unserer Pfarreien muss Caritas an Bedeutung gewinnen."
Mit diesen Worten aus einem der Hirtenbriefe der vergangenen Jahre beschrieb Erzbischof Stefan, wie er die Kirche im Erzbistum Hamburg in Gegenwart und Zukunft sieht. Dabei gibt er sich keinen Wunschträumen hin, denn ebenso klar formuliert er in einem weiteren Hirtenwort:
"Längst ist die Kirche kein großer und stolzer Luxusdampfer mehr. Im Gegenteil, das Schiff der Kirche hat viele Lecks und kräftig Schlagseite…"
Doch diese ‚Diagnose‘ muss nicht zwangsläufig zu Resignation und Frustration führen. Vielmehr deutet sich ein Realismus an, der für viele in Gesellschaft und Kirche sowohl Herausforderung als auch Chance bedeutet, denn - so fährt Erzbischof Stefan fort:
"In diesem Bild der kleinen Schiffe deutet sich für mich etwas Neues an, eine neue Gestalt von Kirche…Wenn unsere Kirche immer mehr den Barkassen ähnelt, so wirkt dies nur auf den ersten Blick wie ein Abstieg. Diese Boote sind aber viel näher an dem kleinen Boot dran, in dem Jesus mit seinen Jüngern auf dem See Genezareth gesessen hat. Kleine Boote sind…wendiger und schneller zu manövrieren. Kleine Boote bedeuten, dass mehr Menschen Verantwortung übernehmen und sich zuständig fühlen…Kleine Boote bedeuten auch eine größere Nähe im Miteinander, wenn auch im kleineren Kreis."
Caritas kann erfahrbar werden im Erschließen von Räumen, die Begegnung ermöglichen bzw. fördern. Denn was geschieht in der personalen Begegnung? Vorrangig ermöglicht sie die Mitwirkung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das Verhältnis haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt dabei in verlässlichen Strukturen. Auf fachlich-konzeptioneller Grundlage erfolgen Austausch, Beratung und Begleitung. Konkret geschieht dies vor allem in der Umsetzung von Projekten wie beispielsweise in der
- Suizidprävention, die sich auf langjährige Erfahrungen stützen kann und bestrebt ist, möglichst viele Menschen in der Gesellschaft für eine Thematik zu sensibilisieren, die weitgehend tabuisiert wird.
- Sie geschieht in der Ehrenamtsgewinnung- und Begleitung, beispielsweise in Stadtteilprojekten wie "Mittig-engagiert" in Hamburg-St. Georg.
- Sie wird erfahrbar in der Erschließung neuer Medien für ältere Menschen und für Menschen mit Beeinträchtigungen sowie deren Nutzung in stationären Einrichtungen.
- Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geschieht auch in der Sensibilisierung gesellschaftlicher Gruppen und Kreise für Menschen mit Fluchterfahrung. Sie wird auch erfahrbar in vielfältigen Bemühungen, die eine faire Dialogkultur zwischen den Religionen anstreben.
- ‚Begegnungsräume’ werden ganz praktisch erfahren im lebendigen Erfahrungsaustausch zwischen dem Freiwilligen-Zentrum des Erzbistums Hamburg und der Freiwilligenagentur der Caritas im Norden.
Es gibt noch weitere Beispiele für verschiedene Experimentierfelder. Das Projekt der ‚Begegnungsräume‘ ist noch jung und erst seit einigen Jahren ‚am Start‘. Darum ist es vor allem auch eines: Offen für neue Ideen und Überlegungen.
"Das Leben ist Gottes Ziel mit uns" - so sagt es Dietrich Bonhoeffer. Und Romano Guardini gibt uns mit auf den Weg des Lebens und Glaubens:
"Der Mensch ist eine Sprache, in die Gott übersetzt werden kann."
Daran mitwirken zu können und mitwirken zu dürfen, ist Gabe und Aufgabe zugleich. Und: Eine Quelle der Hoffnung und Zuversicht ist die beglückende Erfahrung, dass auf diesem Wege sehr viele mit uns unterwegs sind, ohne es ausdrücklich zu machen bzw. zu wissen, denn - wie Karl Rahner es formulierte:
"Man kann radikale Liebe, Treue und Verantwortung, die sich nie ‚rentieren‘, leben und ‚meinen‘, alles menschliche Leben verschwinde im sinnlosen Nichts, aber im Akt solcher Lebenstat selbst ist diese Meinung nicht enthalten…Solche Grundtaten des Lebens …bejahen die erste und letzte Voraussetzung solcher Hoffnung, die wir Gott nennen." [1]
[1] Karl Rahner "Das große Kirchenjahr", Freiburg im Breisgau 1987/ Leipzig 1990, S. 271
Rückblick und Ausblick
Ein kurzer Überblick über konkrete Projekte und Projektideen aus den vergangenen zwei Jahren mögen Idee, Intention und Umsetzungsversuche der ‚Begegnungsräume’ kurz illustrieren. Es sind mehrheitlich Versuche, weil wir uns hier in einem pastoralen Bereich befinden, der bewusst den Sozialraum in den Blick nimmt und das Gemeinsame mit den "Menschen guten Willens", wie es das jüngste Konzil formulierte, betont. Wohl wissend, dass Gottes Geist jegliche Grenzen sprengt und auch den Mut gibt, immer wieder neu einen Aufbruch in SEINER Kraft zu wagen.
Aktionen und Veranstaltungen
Im Bereich der Straßensozialarbeit gab es beispielsweise einen
- Tag des Glücks
- Das Projekt "endlICH &vergänglICH in der Passionszeit
- Ein gemeinsames Osterfeuer mit Menschen, für die Ostern nicht unbedingt etwas mit Christi Auferstehung, wohl aber mit Hoffnung und Neubeginn zu tun hat. Das wurde auch besonders deutlich in Stadtteilfesten oder an der Beteiligung am
- Christopher Street Day, am Weltkindertag (Tag der Kinderrechte) oder am Tag der Behinderten.
Verschiedene Aktionen fanden statt im Interreligiösen Dialog, wie beispielsweise die
- Eröffnung und Mitgestaltung der Interkulturellen Wochen,
- Die Gestaltung geistlicher Fastenimpulse, die auch den Ramadan und die vorösterliche Bußzeit begleiteten
- Es gab das Fest zum 10. Jahrestag des Bestehens der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Mecklenburg-Vorpommern
- Regelmäßig finden die Begegnungstage der Religionen statt unter dem Motto "Weißt du, wer ich bin?"
- Die öffentlichen Foren zu Themen wie "Religion und Gewalt" oder "Wie hältst du es mit deinem Bruder/deiner Schwester, die anders sind?" oder: "Religion und Profit- Geschichte des Kolonialismus" finden sehr bewusst im öffentlichen Raum statt und werden von allen Teilnehmenden des Interreligiösen Dialogs in Schwerin gemeinsam vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet.
- Gearbeitet wird an einer erweiterten Auflage unseres Gebetbuches "Beten in Gemeinschaft anderer Beter" gearbeitet. Es lehnt sich an das Friedensgebet von Assisi an, das von Papst Johannes Paul II. ins Leben gerufen wurde.
"Begegnungsräume" fungieren als Netzwerk- und Begegnungsformat zwischen Caritas, Kirche und Zivilgesellschaft. In diesem Zusammenhang gab es weitere Projekte, die von Ehrenamtlichen oder/und Hauptamtlichen organisiert wurden, wie beispielsweise den
- Aktionstag zur Suizidprävention
- Das Projekt digital im Altenheim, bei dem es insbesondere um das Skypen mit Angehörigen und auch Bekannten und Freunden in höherem Lebensalter geht, um auch hier Begegnung zu ermöglichen durch die Eröffnung von Zugängen zu neuen Kommunikationsmöglichkeiten. Es entstanden so auch weitere
- Lesungsformate und
- Austausch- und Gesprächsrunden
Ausblick
Abschließend soll noch etwas gesagt werden zu den gedanklichen "Hausaufgaben", die uns aktuell beschäftigen und die insbesondere die beiden Themen umkreisen:
- Entwicklung neuer Projektideen sowie das
- Nachdenken darüber, wie man es schaffen könnte, das funktionierende Projekte "schlüsselfertig" von anderen übernommen werden können, analog zum "Wohlfühlmorgen" der Malteser.
- Hier sind uns besonders die Erfahrungen der CKD wichtig geworden, ebenso das Engagement des Freiwilligenzentrums von Caritas und Erzbistum mit den Freiwilligenagenturen in Hamburg.
- Erwähnt sei in diesem Zusammenhang das stadtteilübergreifende Projekt "Mittig - engagiert".
Dieser kleine Überblick mag einen Eindruck vermitteln, wo wir mit unserem pastoralen Engagement stehen. Vernetzung ist nicht nur eine Methode. Sie wird die Gestalt unserer Kirche mit ihrem caritativen Engagement grundlegend verändern. Für uns in den "Begegnungsräumen" ist der Gründonnerstagssaal Vorbild: Man wird nur Tischgemeinschaft haben können, wenn der ‚Dienst der Fußwaschung‘ selbstverständlich ist.
Rudolf Hubert
Referent für Caritaspastoral
Schwerin, den 10.04.2024