Ein Tante-Emma-Laden mit familiärem Flair
So wie Sylvia Lassen. Sie arbeitet seit rund zwei Jahren zweimal pro Woche im CARIsatt-Laden. Inzwischen ist die Rentnerin unter den ehrenamtlichen Helfer*innen die Dienstälteste. Sie fühlt sich sehr wohl im "tollen Team" von CARIsatt: "Hier ist immer was los, Und es gibt viel zu lachen." Immer wieder kommen neue Mitstreiter*innen dazu, andere scheiden aus. "Viele nutzen das Ehrenamt als Sprungbrett, bevor sie in einen festen Job finden." Caroline Smith, die als hauptamtliche Mitarbeiterin der Caritas für den CARIsatt-Laden verantwortlich ist, ergänzt: "Im Laden helfen viele Ehrenamtliche mit Migrationshintergrund mit, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern." Nach einiger Zeit finden die meisten eine Stelle und ziehen weiter, "aber die Lücken sind schnell gefüllt". Zurzeit sind zwölf Helfer*innen im Laden beschäftigt, dazu kommen zwei Fahrer, die Waren abholen. "Ohne die Ehrenamtlichen wären wir echt aufgeschmissen, das wäre alles nicht zu wuppen", so Smith. Helfende Hände für den Verkauf zu finden, ist nach ihrer Erfahrung nicht schwer, aber es werden noch dringend weitere Fahrer gebraucht - zuverlässige Kräfte wie Leonardowitsch A.
Er kam 1986 aus Lettland nach Deutschland, um die Sprache zu lernen, und blieb. Seit einem Jahr gehört er zum Team von CARIsatt. Ursprünglich wollte er hier Sozialstunden ableisten, "aber das hat die Staatsanwaltschaft nicht erlaubt. Als ich gefragt wurde, ob ich stattdessen ehrenamtlich mitmachen will, habe ich Ja gesagt." Aufgrund seiner Vorstrafe findet Leonardowitsch keine Stelle, obwohl er fünf Ausbildungen abgeschlossen hat. Als Berufskraftfahrer hat er Freude daran, am Steuer zu sitzen. Deshalb hat er gerne die Aufgabe übernommen, die Waren für den Laden abzuholen. In den Verkauf wollte er nicht, aber er macht sich an anderer Stelle nützlich, denn "es gibt immer was zu tun und man lernt immer wieder was Neues". Die freundliche, familiäre Atmosphäre hier tut ihm gut. "Das sind nette Leute aus vielen verschiedenen Nationen." Außerdem ist er froh, dass er etwas zurückgeben kann für die Leistungen, die er vom Staat bekommt: "Wenn ich für bedürftige Menschen was tue, leiste ich einen Dienst an der Gesellschaft."
An den Öffnungstagen - von Mittwoch bis Freitag - stehen ab kurz vor neun die ersten Kund*innen vor der Tür. In den Regalen erwarten sie vor allem haltbare Lebensmittel wie Konserven, Nudeln, Müsli und Mehl. In der Kühltheke finden sich außerdem Fleisch, Wurst, Milchprodukte und vegane Lebensmittel. Das Sortiment richtet sich danach, was dem Laden an Waren zur Verfügung gestellt wird. Die Mengen, die eingekauft werden dürfen, sind pro Person begrenzt. Die Ehrenamtlichen achten genau darauf, dass niemand Lebensmittel hamstert. Manche suchen auch gezielt nach bestimmten Produkten, die sie gerade brauchen - oder nach den abgelaufenen Gratis-Angeboten. Tanja Yareshko und ihre Mutter sind heute im Kühlregal fündig geworden. Beide sind Stammkundinnen: "Wenn ich Zeit habe, komme ich rein, mindestens einmal die Woche. Meine Mutter kommt jeden Tag", so Tanja. Mit ihrer kleinen Tochter ist die junge Frau vor rund zwei Jahren aus der Ukraine geflohen. Deutschland kannte sie schon von einem früheren Aufenthalt, bei dem sie Deutsch lernte. Demnächst beginnt sie eine Ausbildung zur Pflegehelferin, danach möchte sie Pflegefachkraft werden. Über Angebote wie den CARIsatt-Laden kann sie nur staunen, denn für Menschen mit wenig Geld gebe es "in der Ukraine gar nichts."
Seitdem die Stadt Neumünster den CARIsatt-Laden in den Wegweiser für Menschen mit Grundsicherung aufgenommen hat, kaufen mehr Renter*innen hier ein. Aber die meisten Kund*innen sind Familien mit Migrationshintergrund. "Immer mehr Menschen kommen von außerhalb der Stadt aus dem Umland zu uns, manche sogar aus Kiel", berichtet Caroline Smith. Vor allem ziehen die günstigen Waren die Menschen an, aber sicher auch der "Flair eines kleinen Tante-Emma-Ladens". 2023 haben die Mitarbeitenden mehr als 5.900 Einkäufe im Laden verzeichnet. Bis Mitte Februar 2024 haben sich schon 40 Kund*innen neu registrieren lassen. Anders als andere Anlaufstellen setzt CARIsatt keinen Aufnahmestopp: "Solange Waren da sind, kann jeder kommen, der berechtigt ist." Allerdings sei es in Neumünster schwierig, Firmen zu finden, die Waren zur Verfügung stellen. Aktuell hat der Laden nur einen festen Kooperationspartner. "Viele Firmen sagen uns, dass sie schon andere Träger beliefern, oder wir bekommen gar keine Antwort", ärgert sich Smith.
Sylvia Lassen ist ebenfalls aufgefallen, dass im Lauf der Zeit immer mehr Leute bei CARIsatt einkaufen. Sie selbst ist auch berechtigt, dort Kundin zu sein. Weil sie krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten konnte, musste sie früh in den Ruhestand gehen. Nun reicht ihre Rente nicht aus und sie bezieht zusätzlich Grundsicherung. "Früher hatte ich Vorurteile gegenüber Arbeitslosen, aber was ist, wenn man krank wird und nicht mehr arbeiten kann?" Dass viele Kundinnen und Kunden nur wenig Deutsch sprechen, ist für Sylvia Lassen kein Problem: "Das stört mich überhaupt nicht. Ich komme mit jedem Menschen klar." Die Verständigung funktioniere immer: "Wir dolmetschen mit einem Übersetzungsprogramm auf dem Handy. Und wenn eine Kollegin es nicht versteht, holt sie eine andere." Oft gehe es auch darum, das Kleingedruckte auf den Packungen zu lesen und zu übersetzen, etwa für die muslimischen Käufer*innen: "Die müssen wissen, ob da Schweinefleisch oder Gelatine drin ist."
Der Besuch bei CARIsatt ist für viele Menschen mehr als ein Einkauf. Nebenan steht Kaffee bereit und alle sind eingeladen, sich hinzusetzen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Sylvia Lassen freut sich über die Begegnungen, die sie dort erlebt: "Zwei Männer, die aus unterschiedlichen Ländern stammen, setzen sich dort regelmäßig auf einen Kaffee zusammen, und eine Frau mit ihrem Kleinkind kommt dazu." Im Sommer verlagert sich das Beisammensein vor die Tür: "Dann spannen wir draußen ein Segel auf und es gibt kalte Getränke." Ein weiterer Anziehungspunkt ist für viele Kund*innen ist der Kleidershop der Caritas ein Stockwerk höher. Manche suchen auch Hilfe bei der Migrationsberatung oder bei der Beratung für Schwangere durch den Sozialdienst katholischer Frauen. Nicht zuletzt locken die Sprachkurse eines anderen Trägers Menschen ins Haus der Caritas. Caroline Smith: "Hier ist alles eng miteinander verknüpft. Das ganze Miteinander ist freundlich und offen. Man weiß von den Sorgen und Nöten der anderen. Wenn jemand länger nicht kommt, macht man sich Gedanken und telefoniert hinterher."