#OutInChurch erhält die „Trompete von Jericho“
Die Bewegung #OutInChurch hat jetzt den Preis "Trompete von Jericho" gewonnen. Das ist doch eine tolle Auszeichnung und auch ein schönes Symbol. Was bedeutet der Preis für Sie?
Jens Ehebrecht-Zumsande: Also, das ist natürlich immer schön, wenn man einen Preis erhält und eine Würdigung der eigenen Arbeit und ein Zeichen der Solidarisierung, in diesem Fall aus Österreich. Daran merkt man, dass das jetzt auch über Deutschland hinausstrahlt. Das hat uns natürlich gefreut und ist in gewisser Weise Rückenwind.
#OutInChurch hat vieles angestoßen, binnen eines guten Jahres ist sogar die kirchliche Grundordnung überarbeitet worden. Die individuelle Lebensführung kann kein Problem mehr in kirchlichen Arbeitsverhältnissen sein. Wie schätzen Sie den Gesamtprozess ein?
Jens Ehebrecht-Zumsande: Ja, wir hatten - für uns selber überraschend - relativ schnell den "Erfolg" mit der Änderung der Grundordnung des Arbeitsrechts. Das ist ja nicht nur uns zuzuschreiben, das schwelte schon länger, aber auch die Akteure sagen, dieser letzte Riesen-Aufmerksamkeitsschub war wichtig. Sonst hätten sich die Bischöfe wohl nicht so relativ schnell durchgerungen. Danach änderte sich die Stimmung etwas in Richtung von: Jetzt ist ja die Grundordnung verändert, was wollt ihr denn jetzt noch?
Aber nur, weil jetzt die Grundordnung geändert ist, haben wir ja noch keinen Kulturwandel vollzogen. Also ich kann das schätzen, dass das auch ein großer Schritt ist, auch für die Bischöfe. Doch wir sind weit davon entfernt, dass es in der Kirche keine Diskriminierung mehr gibt aus unterschiedlichsten Gründen. Jetzt haben wir die absurde Situation, dass zwar das Arbeitsrecht geändert ist, aber die Lehre nicht. Das heißt: als Arbeitnehmer bin ich eine Bereicherung, und nach Feierabend bleibe ich weiter ein Sünder und zwar ein schwerer Sünder. Das ist ein Widerspruch, den müssten auch die Bischöfe bemerken.
Beschluss des Synodalen Wegs bleibt trotz Zustimmung ohne Folgen
Wie sieht es denn mit Segensfeiern für LGBTIQ+-Paare aus? Hier gibt es doch einen Beschluss des synodalen Wegs.
Jens Ehebrecht-Zumsande: Ja, das Thema Segensfeiern ist ein gutes Beispiel. Da gibt es den Beschluss des Synodalen Weges, dass Segensfeiern eingeführt werden sollen. Hier hat auch unser Erzbischof mit Ja gestimmt. Aber in unserem Bistum gibt es keine Segensfeiern und sobald darüber eine Diskussion entsteht, wird die eigentlich eher wieder klein gehalten. Das ist vermintes Gelände. Da tut man sich zumindest als Kirchenleitung schwer, sich eindeutig zu positionieren. In Osnabrück und in Essen hat man es sofort nach dem Beschluss des Synodalen Weges gemacht und hat Segensfeiern ermöglicht, in einigen Bistümern wird man noch nachziehen.
Jens Ehebrecht Zumsande (li.) und Dr. Norbert Nagler (Pastorale Dienststelle des Erzbistums Hamburg) erläutern ihre Ideen zum folgenden Workshop über die inhaltliche Dimension des Erneuerungsprozesses unter dem Titel "Missionarische Kirche". Rizvani
Und wie sieht es beim Thema Aufarbeitung der Diskriminierung aus, gegenüber queeren Menschen oder auch wiederverheirateten Geschiedenen, denen gekündigt wurde?
Jens Ehebrecht-Zumsande: Das Thema ist tatsächlich noch schwieriger. Hier sehen viele Bischöfe überhaupt keine Schuld, weil sie ja nach damals geltendem Kirchenrecht gehandelt haben. Es gibt auch wenig Einsicht, dass es hier nicht um Einzelfälle geht, sondern um eine strukturelle, systematische Diskriminierung. Dabei sagen zum Teil auch Personalverantwortliche selber: Ich habe Menschen gefeuert oder unter Druck gesetzt, gegen meine eigene Überzeugung, weil ich Angst hatte vor irgendwelchen römischen Interventionen. Da ist ein ganzes Unrechtssystem aufgebaut worden.
Ist der Grund für eine Blockadehaltung in Ihren Augen vor allem die Angst vor Rom, oder hat diese Verschleppung auch andere Gründe?
Jens Ehebrecht-Zumsande: Die Gründe sind, glaube ich, vielfältig. Bei einem - hoffentlich - sehr kleinen Teil gibt es sicher eine tief verwurzelte Queerfeindlichkeit, woher auch immer die kommt, aber überwiegend werden kirchenpolitische, strategische Gründe angeführt. Ich nehme da viele Kirchenleitungen wahr, die zwischen allen Stühlen sitzen, die sich Rom verpflichtet fühlen und auch den Eindruck haben: Ich muss ja Bischof für alle sein und alle mitnehmen. Aber wenn Menschen diskriminiert werden, kann ich nicht sagen: Wir machen jetzt mal einen Kompromiss, dass die Leute ein bisschen weniger diskriminiert werden. In solchen Fragen muss man sich entscheiden.
Die queeren Menschen, um die es geht, die mit ihrer Kirche ringen, sind die nicht schon lange ziemlich enttäuscht?
Jens Ehebrecht-Zumsande: Das ist ja kein Geheimnis. Der große, überwiegende Teil der queeren Community erwartet nichts mehr von unserer Kirche, auch keine Segensfeiern, einfach nichts mehr. Wir können jetzt noch fünf Jahre in unserem Bistum darüber diskutieren, ob wir Segensfeiern ermöglichen wollen oder nicht. Wenn die Leute Glück haben und auf irgendeinen offenen Pfarrer treffen, dann finden die einen Weg, aber eben nur halboffiziell. Und das ist für alle Beteiligten ja unwürdig. Für mich persönlich ist das auch bitter. Ich heirate nächstes Jahr, und nach 28 Jahren im pastoralen Dienst in diesem Erzbistum hat meine Kirche für mich keinen Segen übrig.
Eine Kirche für alle, wirklich alle.
In Ihrer Dankesrede anlässlich der Verleihung der "Trompete von Jericho" zeigen Sie sich auch vom Papst enttäuscht. Wenn der Papst sagt, die Kirche sei offen für alle, heiße das in der Realität eben nicht, dass alle gleiche Rechte hätten.
Jens Ehebrecht-Zumsande, Mitinitiator von #OutInChurch, Leiter des Referats Grundlagenreferats der Pastoralen Dienststelle im Erzbistum Hamburg.Foto: Achim Rizvani / Caritas
Jens Ehebrecht-Zumsande: Also ich bin inzwischen müde, die ganzen tollen Worte zu hören, denen nichts folgt. Es klingt natürlich super, wenn er ausruft, alle, alle sind willkommen und dann am nächsten Tag erklärt, wer drin ist, müsse sich an die Regeln halten. Das ist dieses monarchische, patriarchale System, dass am Ende der Papst sagt, wie die Hausordnung auszusehen hat.
Was für eine Hausordnung würden Sie sich stattdessen wünschen?
Wenn ich das Bild des Papstes nehme, dass die Kirche ein Haus des Willkommens ist, dann reicht eine einzige Regel: Alle sind willkommen. Und natürlich sollen sie respektvoll miteinander umgehen. Unter dem Dach der katholischen Kirche ist ganz viel Unterschiedliches möglich. Die den Rosenkranz beten und lateinische Messen feiern, sollen da ihren Platz haben. Aber dann bitte auch andere, die ihren Glauben eben ganz anders praktizieren. Wenn wir das mit der Vielfalt ernst nehmen, müssen wir aber ein bisschen mehr tun, als das freundlich nebeneinander stehen zu lassen. Wir müssen diese Auseinandersetzung aktiv führen. Wir kommen nicht voran, wenn wir die Konflikte umschiffen.
Nehmen Sie Unterschiede wahr zwischen Caritas und verfasster Kirche, was die Themen Queerness und queere Mitarbeitende angeht?
Jens Ehebrecht-Zumsande: Also, ich habe den Eindruck, bei der Caritas geht immer ein bisschen mehr als auf der anderen Seite vom Domplatz. Auch wenn ich auf ganz Deutschland schaue, zum Beispiel hat die Caritas in Paderborn jetzt eine Kampagne gemacht: Unser Kreuz hat alle Farben, bei der das Flammenkreuz in Regenbogenfarben getaucht wird. Ich denke auch, dass die Mitarbeiter_innenschaft der Caritas etwas vielfältiger ist als so im pastoralen Bereich, und die Dienste sind mehr mit dem normalen Leben konfrontiert. Das macht natürlich etwas aus. Auch der Kontakt mit Klient_innen führt wahrscheinlich eher zu mehr Offenheit.
Das Interview führten Ruth Franzen und Achim Rizvani.