Megastolze Smartphone-Profis
Antonia Hermann surft mit Doris Bahr (links) Eva-Maria Cernicky (rechts) durch die digitale Smartphone-Welt.
Donnerstagmorgen, kurz vor zehn. Vor dem Caritas-Eck in der Mühlenstraße warten neun gut gelaunte Damen und ein Herr auf Antonia Herrmann. Die Seniorenberaterin begrüßt ihre Gäste mit einer herzlichen Umarmung. Die Stimmung ist heiter, es wird geplaudert und gekichert - fast wie bei einem Schulausflug. Dann geht es nach drinnen - der "Unterricht" beginnt.
Seit März 2023 treffen sich die wissbegierigen Seniorinnen jeden Donnerstagvormittag, um mit Antonia Hermann die digitale Welt zu erkunden. Die "Lehrerin" bereitet dafür Themen vor, zum Beispiel den Umgang mit einer neuen Gesundheits-App oder das Fotografieren mit dem Smartphone. Vor allem aber werden Fragen behandelt, die aus der Gruppe kommen. Mal geht es um eine Übersetzungs-App für den Urlaub, andere interessieren sich für die Bearbeitung von Selfies oder für technische Fragen wie: "Warum wird mein Handy beim Aufladen so heiß?" Bis zur kommenden Woche dürfen sie als "Hausaufgabe" neue Apps suchen, die dann gemeinsam ausprobiert werden. "Inzwischen sind sie schon echte Profis geworden", lobt Antonia.
Was treibt die "Golden Ager" - sie sind zwischen 73 und 85 Jahren alt - dazu, sich mit der modernen Technik auseinanderzusetzen? "Eine Motivation ist sicher, dass sie ihren Enkeln auch mal was zeigen und mithalten wollen. Viele sind megastolz, wenn sie merken: Ich kann das!", so Antonia Herrmann. Sie freut sich über "das Lächeln in den Augen, wenn sie was gelernt haben".
Eva-Maria Cernicky gehört zu den "Gründungsmitgliedern" der Gruppe. Ein Smartphone besaß sie schon länger, aber "nur für den Notfall. Ich fahre oft mit dem Auto nach Hamburg zu meinen Verwandten und wollte mich melden können, wenn was passiert". Sie wollte gerne mehr mit dem Smartphone machen, fand aber keinen entsprechenden Kurs. "Ich habe auch meine Enkelkinder gefragt, aber die erklären das so schnell, da komme ich nicht hinterher." Bei CariGold schätzt sie, dass man sich trauen kann nachzufragen - auch mehrfach. "Wenn eine von uns Antonia fragt: ‚Du, kannst du das nochmal erklären?‘, dann sagt sie nicht ‚Was, schon wieder?‘" Inzwischen nutzt Eva mehrere praktische Anwendungen, zum Beispiel "Easy Park" - eine App, mit der sich die Parkzeit aus der Ferne verlängern lässt. Außerdem lässt sie das Smartphone ihre Schritte zählen: "Ich gehe viel zu Fuß und möchte gerne wissen, wie viele Schritte ich gegangen bin."
Antonia Herrmann hat die Teilnehmer_innen fotografiert. Die Bilder sind im Gebäude der Caritas Lübeck zu sehen.Caritas Lübeck/ A. Herrmann
Ihre Freundin Doris Bahr hat eine ähnliche "Vorgeschichte": Jemand hat ihr ein neues Handy geschenkt und es auch eingerichtet, "aber dann war er weg, und jeden Tag kamen auf dem Handy neue Meldungen - ich wusste nicht, was ich tun sollte und konnte keinen fragen". Grundsätzlich hat sie eher Angst vor technischen Dingen, "weil ich auch vieles verkehrt mache". Trotzdem wollte sie mehr über die Funktionen ihres Geräts wissen. "Ich kann doch kein Handy haben und dann immer nur zwei Tasten bedienen!" Bei CariGold fühlt sie sich gut aufgehoben. "Wir lernen immer wieder was Neues, alles ohne Zwang. Und keiner wird ausgelacht." Sie hat eine Notfall-App installiert, weißt jetzt, wie sie mit dem Smartphone Radio hören kann und wie man bei Whatsapp einen Avatar erstellt. Nicht alles, was sie hier lernt, nutzt sie auch, "aber es ist gut, wenn man es weiß".
Die Aktivitäten der Gruppe gehen inzwischen über den Umgang mit dem Handy hinaus: Die Gesichter der Kursteilnehmer fand Antonia so fotogen, dass sie mit ihnen ein Fotoshooting veranstaltet hat. Diese Bilder hängen jetzt im Treppenhaus der Caritas. Und Anfang September gestaltete Antonia mit Eva und Doris im Offenen Kanal Lübeck eine Sendung zum Thema ,,Lieder unser Kindheit". Die Sendung ist in der Mediathek der Website okshe.de abrufbar.
Eine wichtige Rolle bei CariGold spielt die Geselligkeit. Die Seniorinnen haben sich fast alle erst hier kennengelernt und sind zu einer harmonischen Gruppe zusammengewachsen. "Viele Frauen haben ihren Partner verloren und leben allein", weiß Antonia Herrmann. Manche unternehmen zwar viel, machen Musik oder Sport, fahren in Urlaub. Aber das Treffen bei der Caritas ist doch etwas Besonderes: "Für einige ist es das Highlight der Woche." Doris Bahr sieht das genauso - und ist jedes Mal mit dabei: "Den Donnerstag zu schwänzen - das würde mir nicht im Traum einfallen!"
Dieser Beitrag erscheint am 18. November in einer kürzeren Fassung und in gedruckter Form im Magazin "SozialCourage" der Caritas.