CORONA - Was würde Karl Rahner sagen?
Die Coronakrise stellt manche Selbstverständlichkeiten unseres Lebens infrage, und sie ist auch eine grundsätzliche Frage an unseren Glauben überhaupt. Macht es Sinn einem liebenden Gott zu glauben angesichts der Ohnmacht, die Menschen spüren besonders in solch einer Krise. Deutet nicht alles daraufhin, dass diejenigen Recht haben, die der Welt und dem Leben jeglichen Sinn absprechen? Ist es nicht besser, sich dieser (grausamen) Wahrheit zu stellen, als irgendwelchen (scheinbaren) Hoffnungen hinterher zu laufen. Auf diese tiefen Fragen, die jedem denkenden Menschen sicher nicht fremd sind, möchte ich mit einigen Texten von Karl Rahner antworten. Ich meine, sie könnten genau in diese Zeit hinein von ihm gesagt sein.
"Kann ich nicht sagen, dass ich recht habe, wenn ich mich an das Licht halte…?"
"Kann ich nicht sagen, dass ich recht habe, wenn ich mich an das Licht halte, auch wenn es klein ist, und nicht an die Finsternis, an die Seligkeit, und nicht an die höllische Qual meines Daseins? Wenn ich die Argumente des Daseins gegen das Christentum annehmen würde, was böten sie mir, um zu existieren? Die Tapferkeit der Ehrlichkeit und die Herrlichkeit der Entschlossenheit, der Absurdität des Daseins mich zu stellen? Aber kann man diese als groß, als verpflichtend, als herrlich annehmen, ohne schon wieder…gesagt zu haben, dass es ein Herrliches und Würdiges gibt? Aber wie sollte es dies geben im Abgrund absoluter Leere und Absurdität? Und wer tapfer das Leben annimmt, der hat schon …Gott angenommen…der diese Unendlichkeit der Leere als das Geheimnis, das der Mensch ist, zu erfüllen beschlossen hat mit der Unendlichkeit seiner Fülle…Wenn das Christentum die mit absolutem Optimismus geschehende Inbesitznahme des Geheimnisses des Menschen ist, welchen Grund sollte ich dann haben, kein Christ zu sein?"
(Karl Rahner "Gegenwart des Christentums", aus "Über die Möglichkeit des Glaubens heute"S.36)
Gefunden von der Unendlichkeit
"Es bleibt dem Menschen letztlich keine Wahl: er versteht sich letztlich als platte Leere, hinter die man kommt, um mit dem zynischen Lachen des Verdammten zu merken, dass nichts dahinter ist, oder - da er selber sicher nicht die Fülle ist, die beruhigt in sich ruhen könnte - er wird gefunden von der Unendlichkeit und wird so, was er ist, der, der nicht dahinterkommt, weil das Endliche nur in die unumgreifbare Fülle Gottes hinein überstiegen werden kann."
(Karl Rahner "Schriften zur Theologie", IV, S. 143)
Was unsere Nächte hell macht
"Von uns her und für uns allein sind wir ein Rätsel, von uns allein her ein ewig grausames Rätsel, das tödlich ist…Von uns aus wären wir nur wie ein kleiner Punkt Licht in einer grenzenlosen Finsternis, der nichts könnte, als die Finsternis noch schrecklicher machen, wären wir eine Rechnung, die nicht aufgeht: verstoßen in die Zeit, die alles zerrinnen lässt, ins Dasein gezwungen, ohne gefragt zu sein, beladen mit Mühsal und Enttäuschung, sich selbst zur Qual und Strafe durch die eigene Schuld, beginnend den Tod zu leiden im Augenblick, da man geboren wird, ungesichert und gejagt, sich kindisch über all das hinwegtäuschend mit dem, was man die guten Seiten des Lebens nennt, die so aber in Wahrheit nichts wären als das raffinierte Mittel, das dafür sorgt, dass das Martyrium und die Tortur des Lebens nicht zu schnell endet…Dass die Unendlichkeit Gottes die menschliche Enge, die Seligkeit die tödliche Trauer der Erde, das Leben den Tod annahm, das ist die unwahrscheinlichste Wahrheit. Aber sie nur - dieses finstere Licht des Glaubens - macht unsere Nächte hell, sie allein macht heilige Nächte."
(Karl Rahner "Das kleine Kirchenjahr", München 1953, S. 13-15)